Lieber Kot als Rot
Hätte der Schnulli, der sich an dem wehrlosen Krad vergangen hat, Scheiße statt Farbe benutzt, hätte die Gurke zwar mehr gestunken, wäre aber mit einem Dampfstrahler-Einsatz saniert gewesen. So jedoch haben wir es bedeutend schwerer. Mit einmal Popo-Abwischen kommen wir hier nicht weiter
Wenn sich der Individualisierung-Drang antiproportional zum schrauberischen Vermögen verhält, nennt man das „Cafe Racer“ – ein Anglizismus für fiesen Pfusch
Von der Talent-befreiten Mischpoke werden gerne unschuldige Krümmer mit Mumien-Band umwickelt, krumm gekloppte Wasserrohre in Hecks gewichst oder künstlerische Maßnahmen wie solche Bremssattel-„Lackierungen“ verbrochen
Die Rehabilitierung der geschundenen Brocken wird bereits bei der Demontage sabotiert. Da die rote Kruste neben den Sätteln auch Fittinge, Leitungen und Schrauben kontaminiert, lässt dich der Schraubenschlüssel nicht überwerfen, sondern muss mit dem Hammer auf-massiert werden. Ich könnte kotzen. Was wir an dieser Stelle noch nicht wussten: es kommt noch schlimmer
Der hintere, endlich demontierte Sattel
Richtig übler Scheiß! Belag, Manschette – alles zugekleistert. Und dann auch nur halbgar
Erstmal weg mit der Farbe. In Beize eingelegt und Folie gewickelt
Ein paar Stunden später ist die Pest aufgeweicht und abgelöst
Von der roten Flut befreit, gespühlt und sauber – aber noch lange nicht fertig. Denn die Bremse wird natürlich auch technisch komplett überholt
Der Ansatz findet jedoch ein jähes Ende, denn die Innen-Sechskante der Gleitstifte sind komplett rund genudelt. Das ist so ziemlich das letzte, was wir jetzt noch brauchen. Reicht denn die Farb-Kacke nicht aus? Goddammid!
Das Material ist dermaßen vergnaddelt, dass selbst das übliche Torx-Verfahren nicht greift (wurde wahrscheinlich zuvor schon von jemandem erfolglos versucht). Letzte Chance vorm Ausbohren: VW-Vielzahn. Und der greift. Püüüüh…
Die Kolben sind altersbedingt mit Einbrand überzogen. Der muss unbedingt weg. Links vorher, rechts fertig poliert
Beide blank gezogen. Gut fürs Ansprechverhalten und die Lebenserwartung der Manschetten
Das entkernte Gehäuse haben wir mittlerweile optisch aufgefrischt
Die revidierten Kolben sind zusammen mit frischen Manschetten zurück im Sattel
Das einzige, was noch perverser ist, als ein vorsätzlich versauter Sattel, sind drei vorsätzlich versaute Sättel. Denn auch bei den vorderen wurde so richtig schön mit der groben Kelle garstiges Rot aufgetragen. Natürlich wiederum incl. Leitungen und Schrauben
Die Bremsflüssigkeit sieht aus wie fermentierter Bier-Schiss. Kein gutes Zeichen für den Wartungs-Stand
Und spätestens wenn sich Spinnengewebe am Bremsbelag findet, kannst Du davon ausgehen, dass die letzte Inspektion noch in D-Mark bezahlt wurde. Fetter Einbrand an den Kolben und dubioser Schmierkram entschärfen die Einschätzung nicht gerade
Nach dem Zerlegen konnten wir beweisen, was weder Heinz Sielmann noch Bernhard Grzimek zu Lebzeiten geschafft haben: Bären scheißen nicht nur in den Wald, sondern auch in Bremssättel
Die nackigen Zangen-Hälften, im Entfetter-Bad gereinigt
Acht Kolben, frisch aus dem SPA
Beiz-Bonbons. Auch gut gegen Husten
In der Zwischenzeit sind die benötigten Ersatzteile eingetrudelt
Möge der Zusammenbau beginnen
Die Kolbenkammern im sterilisierten Zustand. Kann man gefahrlos draus essen. Sicherheitshalber machen wir noch ein Schild dran: „Bären woanders hinscheißen“
Die Gleitstifte machen wir komplett neu – ebenfalls wichtig fürs Ansprechverhalten. Oben zum Vergleich ein alter
Frisch abgedichtet, Kolben wieder drin, Gehäusehälften verschraubt
Die Entlüfter kommen ebenfalls neu
Die sind doch noch gut?!... nein!
Sämtliche Zangen bekommen Frischware feinster Qualität. Vorne (mit neuen Scheiben)…
… wie auch hinten. Auch dort gibt`s neue Gleitstifte und Entlüfter
Optisch rehabilitiert, technisch vielleicht sogar besser als neu
Auch hinten alles wieder chic
Wer das in dem Ausmaß noch nicht gemacht hat: so eine Komplett-Restaurierung verschlingt schnell mal ein ganzes Wochenende. Aber was macht man nicht alles, um die roten Invasoren zu vertreiben
Solltet auch ihr den Drang verspüren, eure Sättel umzugestalten: Nehmt wenigstens Kacke statt Farbe. Und wenn es unbedingt rot sein muss, macht euch vorher einen Angelhaken-Einlauf. Wer trotzdem Farbe nimmt, wird mit Auspuff-Band gefesselt, die Füße mit einem Dutzend Rohrbögen beschwert, mit China-Sitzbänken vermöbelt und danach in einem Hühner-Gülle-Silo versenkt. Verdient!