Rückschläge


Dieses Kapitel ist ein Parade-Beispiel dafür, wie sich oftmals Planung, Umsetzung und Ergebnis gegenseitig die Klinke in die Hand geben, ohne sich auch nur ins Angesicht zu schauen. Mindestens die Hälfte der investierten Zeit verbringen wir damit, Dinge zu bauen, die es nie bis ans Krad schaffen - was eine super Sache ist. Es geht (mal wieder) um die Ölzufuhr zum Turbo.



In der aktuellen Phalanx sitzt ein Rückschlagventil (weißer Pfeil). Es verhindert, dass nach dem Abstellen des Motors vom Kopf zurück in die Galerie sickerndes Öl den Turbo flutet. Da wir einen belüfteten Catchtank mit reichlich Volumen verwenden, ist die Gefahr eines volllaufenden Laders zwar sehr gering, aber trotzdem ist es besser, wenn das Öl erst gar nicht nachlaufen kann. Deshalb das Ventil. Funktioniert so weit auch ausgezeichnet. Da wir aber extrem pingelig sind, wollen wir die Konstellation umgestalten und simplifizieren. Ideal wäre die Positionierung direkt in den Austritt der Galerie, also noch vor den Dash-Winkel (roter Pfeil). Je weiter vorne das Ventil sitzt, desto besser. Zudem würde so, falls man mal die Leitung abnehmen würde, kein Öl mehr herauslaufen. Problem an der Sache: das lässt sich mit den vorhandenen Bauteilen nicht umsetzen



Die Gruppe besteht zudem aus vier Komponenten plus Adaptern. Wir wollen die Gesamtzahl auf eine reduzieren und diese zudem in den Motor verpflanzen, sodass extern nur noch eine Leitung benötigt wird



Der Weg kann nur über Eigenbauten führen, werfen wir also vorab einen Blick auf die Technik der käuflichen Ventile. Bei diesem drückt ein federbelasteter Schieber einen Dichtring in einen Sitz und öffnet, wenn der Druck auf die Kugel den der Feder übersteigt. Den Öffnungszeitpunkt bestimmt also primär die Federkraft



Die Dichtung ist aus Viton, also ausreichend resistent gegen Hitze und Öl. Aber immer noch eine Dichtung und damit eine potenzielle Fehlerquelle. Deshalb streben wir eine Ganz-Metall-Lösung an



Dazu haben wir ein Radlager zerschnitten und seine Kullerchen gesichert



Denn wir wollen ein Kugel-Ventil bauen. Dieses bietet nicht nur die kompakteste Bauform, sondern ist auch unkaputtbar. Die Feder stammt aus unserem Fundus und ist Pi-mal-Auge nach Gefühl herausgeangelt worden



Bevor wir das finale Bauteil schnitzen und ggf. einen Haufen Zeit und Material unnötig vernichten, bauen wir einen simplen Prototyp. Er wird seinen Zweck mit dem Ende der Versuchsreihe erfüllt haben und wandert dann in die Reste-Kiste. Die Kugel hat 8 mm Durchmesser, der Eingang 4,5 mm



Die Kugel verschließt mittels Federlast den Kanal, allerdings von der Innenseite



Und da ist es: das komplette DIY-Rückschlagventil als Versuchs-Aufbau. Der Ringnippel ist der Ausgang, der Pfeil markiert den Eingang. Das hat in Vortests tatsächlich schon einmal erstaunlich gut funktioniert



Als Nächstes tasten wir uns an den Auslöse-Druck heran. Dieser sollte gerade so groß wie nötig und so gering wie nur möglich sein. Denn wir wollen keinen Widerstand erzeugen oder gar den Zufluss absperren, sondern lediglich der Schwerkraft trotzen. Vertikal montiert, bräuchte man nicht einmal eine Feder, hier würde das Gewicht der Kugel ausreichen. Wir müssen Platz-bedingt jedoch horizontal bauen, sodass eine Feder unumgänglich ist. Zum Spielen mit verschiedenen Vorspannungen haben wir einen Gewinde-Kolben improvisiert



An dessen Ende sitzt eine Aufnahme für die Feder, damit diese mittig im Kanal geführt wird und sich nicht verkanten kann



Wir haben eine zweite, identische Kugel mittig auf das Ende einer Stange geschweißt und mit dieser in der Drehbank mittels Schleifpaste das Innere des Alu-Gehäuses geläppt um die Dichtflächen zu optimieren. Je besser die Dichtfläche, desto weniger Anpressdruck ist nötig



Starten wir die Test-Serie. Ein mit Wasser gefüllter Kühlerschlauch-Rest simuliert das Sicker-Öl. Mit dem verstellbaren Ende können wir verschiedene Federvorspannungen testen und uns an den kleinstmöglichen Wert herantasten



Wir beginnen mit einer sehr losen Einstellung und drehen den Federkolben so weit hinein, bis kein Wasser mehr durchsickert. Die Sache verharrt dann über Nacht in dieser Position, damit sie langfristig verifizierbar wird. Haben wir den optimalen Wert ermittelt, vermessen wir die Dimensionen und können mit diesen das finale Inlet anfertigen und in den Motor einsetzen



Tatsächlich haben wir gleichzeitig eine 180-Grad-Wende vollzogen und uns entschlossen, nicht nur komplett auf das Ventil, sondern auch auf die komplette Phalanx zu verzichten. Nicht einmal die bisherige Abnahme-Stelle wollen wir beibehalten, weswegen wir diese verschließen. Während den versuchen mit den Eigenbau- und Kauf-Ventilen hat sich gezeigt, dass sie durchaus ernsthafte negative Einflüsse auf die Durchfluss-Menge entfalten. Und zwar weit dramatischer als angenommen. Weshalb unser Kredo nun lautet: Kein Ventil ist besser als ein Ventil



Deshalb zapfen wir die Ölversorgung nun an einer anderen Stelle an. Diese hat gleich mehrere Vorteile. Zum einen brauchen wir keine Dash-Adapter mehr, sondern nur noch einen simplen Schlauch. Der verläuft zudem weit eingerückt und gut geschützt und gestützt zwischen Motor und Rahmen und nicht mehr so exponiert an der Außenseite des Triebwerks. Und da es sich bei der Zapfstelle um einen Nebenkanal handelt, ist die Ölmenge bereits von Haus aus reduziert, was sich positiv auf das Nachlauf-Verhalten des Öls bei abgestelltem Motor auswirkt und das Ventil überflüssig macht



Auch wenn es nicht den Weg von der Werkbank bis zum Krad geschafft hat, war der Ansatz mit dem Eigenbau-Ventil nicht für die Katz. Wir haben beim Bau und den Versuchen eine Menge gelernt und Zusammenhänge verstanden, was am Ende zu einem zwar anderen, aber besseren Resultat als angestrebt geführt hat. Wir könnten zufriedener nicht sein. Selbst, bzw. gerade unter dem Gesichtspunkt, dass wir einen Tag mit dem Ventilbau und lediglich eine halbe Stunde mit dem der Leitung verbracht haben