Gegen den Strom


Thema heute: real verwertbare Klugscheißerei, Teil 1. Es geht um die richtige Wahl von Materialien sowie deren Einfluss auf das elektrische Wohlbefinden des Krads. Und wie man mit ein paar Cent eklatante Verbesserungen erreichen kann. Der Schlüssel dazu lautet „Koeffizient“.

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Koeffizienten kann man problemlos im Internet erstöbern. Sie werden in wilden Zahlen nebst kryptischen Einheiten ausgedrückt, mit denen du vielleicht beim nächsten Club-Abend schön einen auf dicke Hose machen oder in deiner Hackfressenbuch-Gruppe ein paar dämliche Smileys oder erigierte Daumen ernten kannst – das war es dann aber auch schon.

Wir verwursten die Nummer lieber Praxis-gerecht, konzentrieren uns auf tatsächlich verfügbare und sinnvoll einsetzbare Metalle und setzen diese in Relation. Die teilnehmenden Delinquenten sind (in jeweils legierter Form): Aluminium, Stahl, Messing und Edelstähle (z.B. VA).

Die Charts:


Platz 4: „Edelstahl“. Sicher für manchen ein Schock, aber VA ist tatsächlich ein ganz, ganz schlechter elektrischer Leiter. Das Zeugs ist Strom-technisch derart unkooperativ, dass es in der Moped-Elektrik pauschal nichts zu suchen hat. Weder am Batteriepol, noch als Massepunkt

Platz 3: „normaler“ Stahl. Der kann schon gut das Acht- bis Zehnfache von VA – ist aber immer noch kein wirklich guter Leiter

Platz 2: Aluminium. Viermal besser Strom-leitend als Stahl. Und bis zu 40-mal (!!!) besser als Edelstahl

Platz 1: … geht ans Messing. Tusch! Wenn auch nur ganz knapp. Je nach Legierung und bei wem man nachliest, kann sich die Reihenfolge der ersten beiden Plätze auch mal umkehren. Das ist für unsere Betrachtung jedoch vollkommen Schnuppe. Wichtig ist der Abstand zu den Stählen


Messing – Stroms bester Kumpel





Aluminium(-Legierung) ist ebenfalls wunderbar leitfähig. 7075er Schrauben und Muttern kann man für sehr überschaubare Beträge ergattern und sind auch mechanisch recht belastbar





Wer also z.B. seine Batterie-Kabel mit schicken polierten VA-Schauben befestigt hat, kann alleine durch den Austausch gegen Alu-Exemplare seinen Energie-Kreislauf um eine ganz, ganz fiese Engstelle erleichtern. Ladestrom, Anlasser-Saft – alles gierige und dankbare Abnehmer ungehemmter Elektronen-Wanderwege.

Ein für unsere Umbauten typischer Masse-Punkt: Messingschraube und -Unterlegscheibe mit Alu-Mutter



Massekabel-Port an der 14er, komplett aus Messing für besten Elektronen-Fluss



Batterie-Kabel montieren wir vorwiegend mit Alu-Schrauben und Kupfer-Scheiben. VA hat hier nichts zu suchen



Jetzt noch eben die verzinkte M6-Mutter vom Pluspol des Anlassers gegen eine aus Messing oder Alu tauschen, mit dem Starter-Relais parallel verfahren und schon fließt der Saft auch hier viel freier.

OEM. Verzinkte Stahlmuttern



Pimp your Anlasser-Relais. Alu-Scheiben und -Muttern verbessern bei gleichbleibender Dimensionierung den möglichen Stromfluss um ein Vielfaches und verhindern nebenbei tückische Sulfat-Bildung



Tatort Anlasser. Serienmäßige Stahlmutter. Doppelplus-ungut



Viel besser: Alu-Bestückung. Auch hier haben wir mit ein paar Cent das Potential ordentlich angehoben und nebenbei garstigem Gammel dauerhaft vorgebeugt



Masse-Anschlüsse sämtlicher Verbraucher von Scheinwerfer bis Blinker sind ebenfalls sehr dankbar für Messing- oder Alu-Anbindungen. Dabei geht es nicht nur um die Leistungsfähigkeit, sondern auch um die Sicherheit des Systems. Denn Schrauben mit schlechtem Leitwert bremsen nicht nur die Strom-Karawane, sondern drücken ihr Unvermögen zusätzlich per starker Erwärmung aus, welche an Stellen mit hohen Ampere-Aufkommen ganz fix die Schmelztemperatur umliegender Werkstoffe und Isolierungen überschreiten kann. Das Ursache-Wirkungs-Prinzip ist das selbe, welches auch zu (schleichenden) Kabelbränden führt. Wenn Stromfluss behindert wird, entsteht immer Wärme.

Neben dem Leitwert, spielt die Dimensionierung ein gewichtige Rolle. Entscheidend für die Gesamt-Verbindungs-Qualität ist immer das Produkt aus Wert und Menge. Bedeutet: Wenn ihr neben dem richtigen Material auch möglichst viel davon einsetzt, flutscht es noch einmal besser. Also Masse-Punkte z.b. statt in M5 in M6 oder gar M8 anlegen und/oder möglichst große Auflageflächen schaffen. Ja, Größe spielt ein Rolle!

Nicht zu unterschätzen. Alleine die Verwendung von Messing- oder Kupferscheiben verbessert die Leitfähigkeit eklatant. Je größer, desto besser





Jetzt haben wir so auf Edelstahl rumgehackt, dass es Zeit für eine Rehabilitation wird. Tatsächlich gibt es eine elektrische Stelle, an der VA-Schrauben die beste Wahl sind. Und zwar bei der Befestigung von Zündspulen. Da diese ausschließlich über ihre Kabelanschlüsse mit Strom beaufschlagt werden und keine Masse per zusätzlicher Erdung benötigen, ist bei der Befestigung elektrische Leitfähigkeit irrelevant. Zündspulen erzeugen die Funken-Spannung induktiv, d.h. über (fluktuierende) Magnetfelder. Diese sind aber nicht in Spulen-Gehäusen „gefangen“, sondern erstrecken sich weit über diese hinaus. Nicht umsonst liegt fast jedem Tacho als auch Steuerboxen der richtige und wichtige Hinweis bei, man solle sich von Zündspulen und -Kabeln fernhalten.

Nun können die Spulen aber nicht nur andere stören, es geht auch umgekehrt. Schlicht durch Irritierung besagten Magnetfeldes. Und das reagiert auf alles, was magnetisierbar ist. Schraubt man die Spulen also z.B. mit 8.8er-Schrauben fest, behindern diese das Feld (denn Eisen ist magnetisierbar) und reduzieren somit die Leistung und Funktion der Spulen. Nicht-magnetisierbarer Edelstahl ist hingegen „unsichtbar“ für die Spulen und penetriert diese nicht. Alu funktioniert ebenfalls sehr gut, von Messing raten wir hingegen ab. Auch wenn es in klassischer Hinsicht kein magnetisierbares Material ist, erzeugt es dennoch wirre Wechselwirkungen mit Magnet-Feldern. Zudem ist es für mechanische Verbindungen eh nicht die erste Wahl, erledigt sich also quasi von alleine.

Kein Zufall. Bei der 14er haben wir die Spulen fernab des Rahmens montiert. Der Träger und natürlich auch die Schrauben und Muttern bestehen komplett aus nicht magnetisierbarem Edelstahl



Was an Fragen übrig bleibt


Warum so ein Heckmeck um so ein paar lächerliche Schrauben und Muttern? Die Antwort ist simpel: In einem System entscheidet immer die engste Stelle über den Gesamtfluss. Du kannst Unterarm-dicke Kabel verlegen und alles feinst verlöten, wenn jedoch die Batterie-Anschlüsse auf Grund falscher Material-Wahl das größte Hemmnis darstellen, nützt das alles nichts. Deshalb sind gerade solche auf den ersten Blick vernachlässigbare Details genau die Faktoren, welche am Ende über die Gesamtleistung des Netzes bestimmen. Das gilt auch ausdrückliche für Serien-Hobel. Auch diese haben diesbezügliches Potential.

Wenn Alu und Messing so geile Leiter sind – warum werden sie dann nicht serienmäßig verbaut? Das lässt sich mit einem Wort ausdrücken: Mehrkosten.