Die Wiedergeburt




Alter Finne, watt `ne Äkschn. Kein anderer Hobel (die beiden Turbos mal ausgenommen) hat uns derlei viel Zeit, Arbeit und auch Nerven gekostet. Wir wollten es nicht anders.





Schuld daran war in erster Linie der desolate Ausgangs-Zustand. Dementsprechend hat alleine die Revision der beizubehaltenden Brocken einen Haufen Ressourcen verschlungen. Die Teile waren entweder mit Pinsel oder Sprühdose übergejaucht oder auf Grund von nicht mehr stattgefundenen Wartungsmaßnahmen in vernachlässigtem Zustand. Oft gleich beides.



Auch wenn die Basis reichlich unerfreulich daher kam, ist das für ein Krad dieses Alters grundsätzlich nichts besonderes. Vor allem, wenn es sich um ein Tierchen eher überschaubarer Beliebtheit handelt. Selbst Marken-Fetischisten rümpfen angesichts des Namens „Sprint“ als Basis die Nase. Was für sich schon Grund genug ist, genau diese Gattung anzuvisieren.



Der Lebensverlauf ist grundsätzlich immer derselbe: die ersten zwei, drei Jahre nach dem Neukauf steht das Fohlen noch in der beheizten Garage auf plüschigem Teppich und wird täglich mit dem Microfaser-Lappen gestreichelt. Es wird alle zwei Tage balsamiert, das Checkheft beim Vertragshändler penibel auf dem Laufenden gehalten und kommt im Winter ins Wohnzimmer – und wenn der Platz zu knapp wird, Schwiegermutter im Austausch in die Garage. Mit jedem Lenz und Besitzerwechsel lässt die Euphorie immer weiter nach. Ist die Garantiezeit erst einmal abgelaufen, gibt es nur noch einmal im Jahr einen Ölwechsel in „Lockes Schrauber-Stübchen“, Bremsflüssigkeit und Filter verharren mehrere Legislaturperioden unangetastet auf ihren Posten. Und spätestens, wenn die Kiste ihre Volljährigkeit überschritten hat und ihr Dasein im Geräteschuppen zwischen Rasenmäher und Heckenschere fristet, ist ihr trauriges Schicksal besiegelt.



Wenn es ganz übel läuft, wird sie von einem Talent-befreiten Werkzeug-Legastheniker gekauft, der sie dann mit Lidl-Knarrenkasten, Auspuff-Mullbinden und zehn linken Daumen final hinrichtet (nennt sich heutzutage „Cafe-Racern“) oder sie verendet als Brennhure (genauso erbärmlich) auf ein paar Quadratmetern Spanplatte . Mit etwas Glück nimmt sich jemand ihrer an und macht sie zumindest zum Alltags-Muli oder Winter-Krad. Viel mehr haben die ungeliebten Gäule nicht zu erwarten. Es gibt keine Gnadenhöfe für motorisierte Schindmähren. Das Leben ist hart und ungerecht zu ihnen. Wir hingegen lieben solche Pflegefälle. Individualismus manifestiert sich nicht durch das Fokussieren auf Everybodys-Darlings, das Wiederholen ewig gleicher Strickmuster oder in Mehrheits-kompatiblem Treiben.



Hinzu kommen beim vorliegenden Fall wundervolle Gene in Form eines bärigen und robusten Dreizylinders mitsamt unverkennbarer Soundkulisse. Dazu ein durchaus ansehnliches Rahmenwerk, Einarm-Schwinge und dank der konservativen Auslegung des Triebwerks eine hohe Lebenserwartung. Und wenn jemand nicht mal die Bremsleitungen und Sättel abnimmt, um diese vollzupinseln, brauchst du keine große Angst davor haben, dass technisch etwas verpfuscht wurde. Die Basis „stimmte“ also grundsätzlich. Nur Optik und Zustand waren gruselig. Das lässt sich ändern! Werkstatt statt Arschphone!



Das angepeilte Unterfangen würde zwei Handlungs-Stränge haben: Zum einen Restauration nebst Aufarbeitung und zum anderen der Umbau als solcher. Beides ist ungewollt exzessiv ausgefallen. Egal ob Bremsen, Tankdeckel, Rahmen, Schwinge, Lagerungen oder auch die Einspritzung. Wir haben die Bauteile nicht nur einmal feucht übergewischt, sondern zerlegt und von Grund auf neu aufgebaut. Nicht umsonst ist die Doku sehr ausführlich geraten.



Beim Umbau hatten wir von Anfang an eine bestimmte Stilistik im Visier, die wir auch tatsächlich durchgezogen haben. Zudem wollten wie mit Gewalt so viel wie möglich selber bauen. Das ging auch gar nicht anders, weil es die benötigten Brocken nicht zu kaufen gab und gibt. Höcker und Maske verdanken ihr Dasein einem alten Reifen und einer leeren Waschmittel-Flasche. Der Heckrahmen aus zuvor durchgehend parallel verschweißten VA-Rohren, sowie jede Menge durchlöcherte Aluminium-Teile pflastern den eingeschlagenen Weg der klassisch-sportlichen Linien.Die USD-Gabel und die filigranen Felgen heben das Krad von den üblichen Retro-Wurstbuden ab.



Beim Lack stand von vorne herein eine Mischung aus Schwarz und Silber fest, drohte aber potentiell zu langweilig zu werden, würden wir die Pigmente konservativ anordnen. Andererseits könnte eine zu abgefuckte Nummer mit den klassischen Formen der Mopete kollidieren. Used-Look kam also auch nicht in die Tüte. Deshalb haben wir uns für eine Mischform entschieden. Die schwarzen Segmente laufen an den Enden aufgebrochen aus und lediglich die Schriftzüge sind leicht abgeranzt. Hauptsächlich durch einen strukturierten Gold/Silbernen Untergrund, im Fall von Höcker und Maske aber auch durch ihr Umfeld. Das matte Finish nimmt den stark Metallic-haltigen Tönen einiges ihrer Pornosität und dämpft die Sache dezent ein.



Wie immer haben wir auch elektrisch aus dem Vollen geschöpft. Beim Auspacken des OEM-Kabelbaums gab es schockierende Überraschungen (siehe entsprechendes Kapitel) und zeigte wieder einmal, das „original“ nicht gleich „geil“ ist. Eine für diesen Umbau angefertigte einseitige Taster-Armatur übernimmt sämtliche Schaltaufgaben incl. der Bedienung des zentralen Tachos. Rechts herrscht Schalter-technisch gähnende Leere. Sämtliche Funzeln sind mit Voll-LED-Technik ausgestattet. Verbindungen wurden verlötet und Schrumpfschlauch-isoliert. Lediglich der Höcker ist über einen Super-Seal-Stecker angekoppelt, um seine Demontage zu vereinfachen.



Trotz der flachen Linie sitzt es sich extrem entspannt auf dem Hobel. Humaner Kniewinkel und ein leicht zurückversetzter Rohrlenker erfordern keine Standleitung zur Chiropraktiker-Hotline oder gar einen Autokran, will man nach längerer Fahrzeit wieder runter vom Krad. Maske und Höcker sind in unter einer Minute demontiert und eine externe Norm-Steckdose lässt Ladegerät oder Multimeter werkzeugfrei andocken. Und damit Audienzen bei Straßen-Priestern am Wegesrand gleichermaßen entspannt verlaufen, ist der Umbau natürlich komplett abgenommen und eingetragen.





Technische Spezifikationen:


USD-Gabel
Speed-Triple 1050 Räder und Bremsen
beschichteter Rohrlenker
Pullback-Riser
Brembo Ausgleichsbehälter
CNC-Hebel
Stahlflex vorne und hinten
LED Beleuchtung (Blinker, Rücklicht, Scheinwerfer)
Rücklicht Maßanfertigung
Koso Zentral-Instrument (gesteuert über Lenker-Armatur)
neue Elektrik und Verkabelung
Mosfet-Regler
externer Zugang zur Batterie über DIN-Stecker
Taster-Armatur links mit dazugehöriger Schalteinheit
Cut-Off-Funktion (während des Startens werden alle sekundären Verbraucher abgeschaltet)
Spiegel aus VA/ALU (Sonderanfertigung)
Höcker, Fender und Maske Sonderanfertigungen aus GFK
Kühlwasserbehälter im Höcker eingelassen
Heckrahmen Maßanfertigung aus VA
Kettenschutz aus Alu/VA
VA 3in1 mit Akrapovic Endtopf