Spanner-Alarm!

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Die Spanner, um die es hier geht, hocken nicht mit bis zu den Knien heruntergelassenen Beinkleidern in halbhohen Gebüschen und fiedeln sich einen von der Fleisch-Flöte, während sie mit dem Fernglas 94-jährige Geronten bei der Miederwarenanprobe beobachten. Nein, unsere Sorte Spanner scheuert sich ihren harten Prengel in einem engen Loch wund und hackt danach rücksichtslos auf ihre Nachbarin ein, bis diese geschunden und lädiert die Segel streichen.


Das dahintersteckende fiese und bedrohliche Phänomen betrifft sämtliche Kawasakis, die motorseitig in direkter Linie von der GPz900R abstammen. Dazu gehören sowohl sämtliche großen wassergekühlten GPz-, ZRX-, ZZR-, ZX und GTR-Modelle als auch diverse weitere Sprösslinge der Ahnenreihe aus dem Zeitraum Mitte Achtzig bis ca. 2005. Ja, das sind nicht gerade wenige.

Der Mangel ist zwar grundsätzlich konstruktiver Natur, tritt jedoch meist erst im weit fortgeschrittenen Alter auf, weswegen er so lange unkorrigiert weiterproduziert wurde. Betroffen ist der Großraum auf dem Bild. Also praktisch alles, was sich unter dem Kupplungs-Deckel tummelt



Das schleichende Dilemma lässt sich ausschließlich optisch feststellen. Und auch nur, wenn man gezielt danach fahndet: betroffene Kupplungsdruckplatten (hier die unserer Turbo-Z mit ZRX-Reaktor) weißen Material-Ausbrüche auf, die wie kleine Biss-Marken eines Nagers aussehen. Kann man auch leicht im zusammengebauten Zustand checken, indem man mit einer Taschenlampe in den Öleinfüllstutzen späht



Aus unserem Archiv haben wir ein fünf Jahre altes Bild derselben Druckplatte gefischt. Auch seinerzeit waren schon erste Macken zu sehen, jedoch deutlich weniger ausgeprägt als in der aktuellen Aufnahme. Unser Motor ist also definitiv infiziert und hat mechanischen Impf-Bedarf



Urheber der Ausbrüche ist der Spanner der Antriebskette für Lima und Anlasser. Die Zugspannung der Kette wechselt je nach Lastzustand (anders als z.B. bei Steuerketten, die immer in eine Richtung ziehen). Läuft der Motor, treibt die Kette die LiMa an. Am oberen Strang herrscht Zug, während der untere lastfrei ist. Beim Starten sieht die Sache genau andersherum aus. Dann steht der untere Strang unter Zugspannung. Diese pulsiert zudem auf Grund der Arbeitstakte, wodurch die Kette schwingt. Und somit auch der Spanner, dessen Hebel-Mechanismus das kompensieren und begrenzen soll. Was er im Neuzustand auch macht. Mit der Zeit setzt ihm jedoch unweigerlich Gevatter Verschleiß zu. Die Lagerstellen leiern aus, die Federn werden weicher und die Kette längt sich, so dass die Impulse immer heftigere Auswirkungen annehmen. Der destruktive Modus ist erreicht, wenn der obere Hebel des Kettenspanners soweit zurückgedrückt wird, dass er Kontakt mit der Druckplatte aufnimmt. Und genau das führt zu den garstigen Materialausbrüchen (und somit mindestens Alu-Spänen im Motoröl) bis hin zum mechanischen Supergau incl. zerstörter Kupplung und aus dem Motorgehäuse gerissenem Spanner.



Wie heftig die Sache in Bewegung ausfällt, ist z.B. HIER oder auch HIER zu sehen.



Das ist der ausgebaute Spanner. Tatsächlich ist das Übel so weit verbreitet, dass es diverse kommerzielle Umbausätze als auch verschiedene DIY-Maßnahmen gibt – die jedoch praktisch alle bestenfalls suboptimal sind und zuweilen gar neues Übel mit sich bringen. Am Ende des Artikels listen wir einige von ihnen auf. Wir konstruieren natürlich unsere eigene Lösung, Ehrensache



Praktisch alle uns bekannten Umrüstungen scheitern an einer konstruktiven Eigenheit des Spanners: Nämlich seiner Führungs-Stange, deren Anlenkung sowie ihrem Verhalten bei Bewegungen. Das hier ist die Konstellation bei laufendem Motor. Der Spanner ist weit gespreizt und kompensiert so den unteren Durchhang



Und so sieht`s beim Starten aus. Der untere Strang geht auf Zug, der Durchhang schwindet und der Spanner wird entsprechend zusammengedrückt. Da die Führungs-Stange (Pfeil) an einem Hebel sitzt (wie ein Pleuel auf der Kurbelwelle), bewegt sie sich nicht einfach auf und ab, sondern verändert ihren Winkel sowie ihre Lage um den zentralen Drehpunkt (kann man gut sehen, wenn man die Konstellation mit dem vorigen Bild vergleicht). Soll der Spanner nach dem Umbau weiterhin funktionieren, muss das konstruktiv berücksichtigt werden



Der Absatz der Stange soll eigentlich das zerstörerische Debakel verhindern, indem er so etwas wie einen „Not- Anschlag“ bildet. Das haut jedoch nicht wirklich hin



Da sich die Lage der Stange ständig ändert, ist die untere U-förmige Führung beweglich und Feder-unterstützt gelagert. Die Sache verliert mit der Zeit jedoch ihre angedachte Funktion. Die Stange arbeitet sich nach und nach ein und bildet Druckmarken aus (Pfeil), welche wie Rastpunkte wirken, so dass sie verkantet und nicht mehr flutscht



Wenn es ganz doof läuft, passiert das im weit eingetauchten Zustand, also wenn der Hebel die Druckplatte küsst. In dem Fall wird es ganz kurz sehr laut unterm Deckel und danach sehr einsam im Portemonnaie



Finden wir beides doof, wollen wir nicht. Also machen wir präventiv etwas dagegen. Basis unseres Lösungsmittels ist eine 15mm starke Aluplatte



Der ringen wir eine kleine hässliche Ecke ab



Dann wird die OEM-Hütte ausgeräumt. Der bewegliche Schuh ist vernietet. Der Kopf muss also weg



Vorsichtig weggefräst und danach zärtlich ausgeschlagen ist der Bereich nun bereit für eine Neu-Besiedelung



Unser Alu-Brocken hat oben eine U-Ausklinkung erhalten, darunter eine Bohrung, einen ominösen Graben… sowie eine grobmotorische Peinigung per Flex-Ausrutscher. Verfickter Scheißdreck, elendiger!



Der seltsame Graben (auf dem vorigen Bild mittels Pfeil markiert) schafft den notwendigen Freiraum für die Feder-Abstützung



Der U-Ausschnitt dient als Führung und umschließt den unteren Schraubenkanal, während die Bohrung mit den Löchern fluchtet



Gewinde geht immer



Unser Alu-Brocken wird im Sandwich-Verfahren zwischen die Spanner-Bleche geschoben und mittels M6-Schraube geklemmt



Jetzt kommt der tricky Part: Wir müssen einen Kanal einbringen, in welchem sich die Stange frei bewegen kann und gleichzeitig seitlich geführt wird



Und zwar unter Berücksichtigung der weiter oben gezeigten Lageveränderungen



Dazu haben wir von oben einen V-förmigen Schacht erzeugt. Am unteren Ende fluchten beide Bohrungen in einen gemeinsamen Punkt. So hat die Stange in Längsrichtung ausreichend Spielraum, kann seitlich aber nicht herumflattern



Die Sache einfach über eine große Bohrung zu erledigen funktioniert nicht, denn eine solche würde die Auflagefläche in der Breite kastrieren und zudem die Seitenführung vernichten. Dann könnte man die Stange auch gleich komplett weglassen



Finale Kontur. Die grobmotorischen Kampfspuren sind beseitigt, das Teil verschliffen und poliert



Hier ist der ovale Eingang unseres V-förmigen Schachtes gut zu sehen



Fertig ist die Laube. Unser Inlay sitzt stramm und fest, die Verschraubung ist eingeklebt und zusätzlich gekontert



Dort, wo zu Anfang der kleine bewegliche Führungs-Schuh saß, hockt jetzt eine massive Alu-Phalanx. Verkanten der Stange ausgeschlossen. Der lange Tunnel verbessert zudem die Seiten-Führung immens



An Ort und Stelle. Der Alu-Block dient als End-Anschlag für den Hebel, so dass dieser nicht mehr in die Kupplung detonieren kann. Ganz egal, wie wild die Kette es auch treiben will



Unser Spanner kann nach dem Umbau weiterhin im sachdienlichen Spektrum werkeln. Starre Lösungen ermöglichen das nicht, womit sie die Krafteinwirkung auf den Führungsschlitten extrem erhöhen, was unweigerlich zu erhöhter Belastung der Bauteile und exponentiellem Verschleiß der Schiene führt. Diese kann man im Bedarfsfall übrigens nicht einzeln kaufen, sondern nur als Einheit. Diese kostet neu zwischen 150 und 200 Kracher. Ihr ein langes Leben zu bescheren, zahlt sich also aus



Sowohl Spanner-Hebel als auch das Aluteil selber halten mehr als ausreichenden Sicherheitsabstand (mindestens 10mm in sämtliche Richtungen) zur Kupplung. Kollisionsgefahr und Kettenpeitschen sind dauerhaft gebannt. Die notwendige Grundfunktion bleibt erhalten



Alternative Lösungen – und warum wir (fast) alle doof finden

Wird tatsächlich gemacht: Verschweißen des Spanners an den markierten Stellen. Also entweder den Hebel an der Trägerplatte oder die Stange in ihrer Führung anbraten. Klar, Kickback ist somit ausgeschlossen, aber Einstellen auch. Ganz fiese Sache. Nicht machen!
Für alle starren Umsetzungen gilt zudem: der Kettenspanner kann nicht mehr aktiv arbeiten um den Zug-Wechsel zu kompensieren. Zudem geht der Schlitten-Verschleiß heftig nach oben und die Bauteil-Belastung vervielfacht sich



Die simpelste und brauchbarste Variante: Ein (dickwandiges) Röhrchen über die Kolbenstange stecken, dessen Länge den Anschlag bestimmt. Der Kettenspanner kann weiterhin werkeln, Kickback ist aber ausgeschlossen und die Sache in ein paar Minuten ohne viel Aufwand gebaut. Um ein Vielfaches besser als nichts. Einziger Pferdefuß: das Verkanten der Stange im unteren Schuh kann nach wie vor stattfinden. Ansonsten gibt’s nix dran zu meckern



Version 3: Umbau auf starr, einstellbar. Hier wird der Hebel mitsamt Stange und unterem Schuh komplett entfernt und durch einen Alublock (schwarz) ersetzt. Dieser erhält eine Bohrung mit Gewinde, in welche eine Schraube gedreht wird. Diese bildet den einstellbaren Anschlag für die Schiene. Direkter Verwandter von manuellen Steuerkettenspannern. Besser als Schweißen – aber funktional nicht viel. Denn auch hier verliert der Kettenspanner seine eigentliche Funktion und die Belastung nimmt stark zu



Weder Fisch, noch Fleisch. Dieses System ist (seltsamerweise) extrem verbreitet – und extrem benagelt. Der Aufbau ist wie folgt: ein Alublock ersetzt den Federschuh (ähnlich wie bei unserer Lösung, jedoch ohne zweite Fixierung). Durch den Block verläuft ein Gewindeschaft, in welchem eine hohl gebohrte Schraube steckt, in der wiederum die Stange eingeschoben wird. Das Ganze wird dann lose eingebaut, ausgerichtet, eingestellt, angezogen und mit einer Mutter gekontert. Der Federmechanismus bleibt montiert – funktioniert aber natürlich nicht mehr. Die Sache erzeugt zudem eine Scherbelastung am Stangenauge. Verkauft wird der Humbug, der aus einem zweimal perforierten Alu-Quader und einer durchbohrten Schraube besteht für 50-60 Kracher. Ein technischer Zirkon. Wenn schon starr, dann besser die vorige Variante, die deutlich einfacher, stabiler, kompakter und sicherer ist