Inkontinentes Besteck
Wenn die Gabel leckt, wie Sarah Young in „Donnerlesben III“, ist Handanlegen angesagt. Der Ölverlust hindert nicht nur die Forke am korrekten Stempeln, das austretende Gebräu verteilt sich auch mit Vorliebe auf der benachbarten Bremsscheibe, was einen extrem überschaubar positiven Effekt auf Anker-Manöver hat. Da in unseren schrauberischen Breitengraden vornehmlich USD-Besteck verbaut wird, spielen wir die Nummer am Beispiel solch eines Hallodris durch.
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Ein guter Anfang ist, die Holme erst einmal auszubauen – das erleichtert so einiges, echt jetzt! Wer bereits an dieser Übung scheitert, sollte auch vom Renovieren der Eingeweide die Finger lassen, zu den Gelben Seiten greifen und jemand ausfindig machen, der sich damit auskennt. Das ist keine Schande, sondern lediglich lebensverlängernde Maßnahme. Genau wie für Arbeiten an der Bremse gilt auch am Fahrwerk: Wenn ihr nicht ganz genau wisst, was ihr macht – Pfoten weg. Zum Experimentieren ist die Radaufhängung die komplett falsche Baustelle.
Ist die Forke extrahiert, kann’s losgehen:
Der ausgebaute Gabelholm muss fixiert werden. Direkt in den Schraubstock einspannen ist keine gute Idee. Das Rohr oval zu quetschen geht fixer als man glaubt. Deutlich besser: eine alte, ausrangierte Gabelbrücke, die kann auch gerne aus einer Unfallkiste stammen. Die Brücke wird in den Schraubstock gewürgt und ihre Klemmung nimmt nun sauber umfassend und schonend das Rohr auf
Jetzt wird der obere Stopfen mit der Dämpferverstellung losgeschraubt. Das geht easy von der Flosse, abnehmen lässt er sich jedoch noch nicht. Der Fraggle ist nämlich gekontert – und an die entsprechende Mutter kommen wir zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht heran
Durch die entstandene Wunde kann zumindest schon mal das Öl abgelassen werden. Durch Pumpen am gelösten Innenleben wird der Vorgang deutlich beschleunigt. Je gründlicher die Suppe abtropfen kann, desto weniger Werkstattboden-Gewische habt ihr am Ende der Prozession
Zeit, um Spezialwerkzeug Nummer 1 zu bauen. Dafür brauchen wir ein kleines Stück Rohr, dessen Innendurchmesser etwa zwei bis vier Zentimeter größer ist als der Außendurchmesser des Gabelholms. Das Material ist Latte. VA, Stahl, selbst stabiler Kunststoff geht
Wir bohren zwei gegenüber liegende Löcher in den Schlemihl – in unserem Fall 8mm dick. Die Löcher müssen den in Bild 2 zu sehenden Bohrungen in der weißen Gabelhülse entsprechen
Zwei M8 Schrauben nebst vier Muttern später ist das Werkzeug auch schon fertig
Das Rohr wird mittig über die Gabel geschoben und so positioniert, dass die Löcher mit den M8ern fluchten. Die Schrauben werden soweit rein gedreht, bis sie gut in die Löcher fassen - aber nicht zu weit innen hineinragen. Mit den Muttern werden die Schrauben fixiert
Durch den Gabelfuß kommt ein Stück Rundstahl. Dort hängen wir zwei Ratschen-Spanngurte ein, je einen auf jeder Seite des Holms
Die anderen Enden der Spanngurte kommen an die Schrauben unseres Spezialwerkzeugs
Mit den Spanngurten lässt sich die Hülse nun leicht nach unten ziehen und arretieren
Dadurch wird besagte Kontermutter für den Versteller zugänglich. Diese halten wir mit einem Gabelschlüssel (oder in unserem Fall einer höchst empfehlenswerten Gabelzange) fest und können den Stopfen abschrauben
Und das isse auch schon, die kleine Drecksau
Schön zu sehen: die Kolbenstange mitsamt Außengewinde. Wenn man die Stange nicht festhält, sackt sie nach unten weg. Kann sie auch ruhig – warum, zeigt sich noch. Also keine Panik, wenn sie auf einmal wegflutscht und wie die Titanic in den Tiefen des Holms versinkt. Winkt ihr ruhig nach und salutiert dabei
Nach (vorsichtigem!!!) Lösen der Spanngurte, drückt die Feder die Hülse nach oben. Zuvor auf jeden Fall das Innenrohr der Gabel gegen Herausfallen sichern, bzw. dafür sorgen, dass es nicht auf den Werkstattboden knallt, denn nach Abschrauben des Stopfens sind die Rohre nicht länger miteinander verbunden und die Schwerkraft kann ungehindert wirken. Fuß unten drunter halten ist gut für die Balance und hat sich bewährt
Professionelle Anlage bei WP. Das Arbeitsprinzip ist identisch, die Ausführung natürlich deutlich stiftiger. Lohnt sich für zu Hause jedoch kaum
Nach dem Auseinanderziehen der Dödel, liegen die Teile blank vor uns und wir können mit der Revision beginnen. BTW: ein idealer Zeitpunkt, um z.B. das Außenrohr zu polieren, neu eloxieren zu lassen und/oder die Gabel auf Verschleiß zu checken
Den Anfang der Abriss-Aktion macht die Staubkappe. Sie lässt sich normalerweise leicht mit den Fingern abheben und leistet keinerlei Widerstand
Es folgt: der Federring. Auch dieser liefert keine große Gegenwehr, während er aus der Nut gehebelt wird
Jetzt geht’s dem Simmerring an den Kragen. Immer schön sachte, auf keinen Fall die Sitzflächen oder Wandung verschrammen, sonst wäre die ganze Aktion fürs Rektum
Als letztes folgt die Auflagescheibe. Hier zeigt sich, warum unsere Forke gesifft hat: jede Menge Metall-Geröll. Dieses stammt vom Federring, der wohl mal Wasser abbekommen hat und dem langsamen und qualvollen Tod durch Verrosten verfiel. Mögliche Ursache: regelmäßiges Abdampfen des Krads, Überwinden der Staubmanschette und somit feuchte Kontamination des Innenraums. Folge: der Federring fängt an zu gammeln und der schmirgelnde Schotter quetscht sich während des Einfederns zusehends am Simmerring vorbei, was dieser voll doof findet und mit Inkontinenz bestraft
Die Nut des Außenrohres ist voll von festsitzendem Metall-Oxyd. Das Zeug muss w.e.c.h.!
Nein, da hat niemand in die Gabel ejakuliert – der Erfolg einer spermatösen Rostkur wäre wohl auch eher gediegen. Bewährt hat sich für solche Aufgaben hingegen Dichtungs-Entferner aus der Dose. Der greift das Leichtmetall nicht an, ist aber extrem wirsch Fremdkörpern gegenüber. Kurz einwirken lassen und dann die Nut mit einem Wattestäbchen auswischen
Neben dem Simmerring auch immer die Staubkappe erneuern – bei soliden Ersatzkits ist sie sowieso mit dabei. In unserem Fall hat das Aftermarket-Teil gegenüber dem OEM-Dödel gar den Vorteil, mit einer Federspirale versehen zu sein, welche die Dichtlippe auch bei altersbedingtem Erschlaffen saftig gegen die Gabel drückt, was Schäden wie dem vorliegenden langfristig vorbeugt
Die Nuten in Simmerring und Staubkappe dürfen gerne mit geeigneten Gleitmitteln befüllt werden. Profis haben dafür ihre hauseigenen Zaubermittelchen (auf dem Bild Gleitcreme von WP), wir benutzen 0815 Silicon-Fett. Das ist gummiverträglich, hält geschmeidig und dichtet zusätzlich ab. Die Wunderwaffen der Experten reduzieren zudem den Reibungswiderstand, was sich positiv auf das Losbrechmoment auswirkt, also das Ansprechverhalten verbessert
Wir raten dringend dazu, immer den Federring mit zu tauschen. Der Hugo kostet einsfuffzig, kann aber wie zu sehen ist, schnell Mega-Schaden anrichten. Den alten also in die Tonne und Frischfleisch herbei geschafft
Mit den Neuteilen wird beim Zusammenbau nicht das Außenrohr bestückt, sondern das innere. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Membran-Lippen nicht Umklappen und alles korrekt sitzt. Ganz unten: die Staubkappe, darüber der Simmerring, on top die Fall-Scheibe
Das Ganze wird nun sauber eingeführt und über Kopf nach und nach in die Sitze gedrückt. Den neuen Federring nicht vergessen und darauf achten, dass er vernünftig in der Nut sitzt! Eintreiber vereinfachen das Eindrücken des Simmerrings zwar, aber bei einer frisch gesäuberten Gabel und neuen Teilen geht’s auch ohne. Silikonfett oder –Spray erleichtern die Aktion zusätzlich. Auf keinen Fall Kriech-Öl oder Lagerfett benutzen – das greift die frische Dichtware an
Das nächste Spezialwerkzug ist fällig. Ein Rohr mit einem Innengewinde, passend zu dem der Kolbenstange des Dämpfers – in unserem Fall M10x1. Alternativ tut’s auch eine entsprechende Mutter auf ein Rohr gebrutzelt
Mit dieser Rohrangel holen wir die Dämpferstange nach oben. Dazu das Röhrchen einführen, auf die Dämpferstange drehen und hochziehen. Jetzt befüllen wir die Gabel mit frischem Gabelöl gemäß Viskositätsvorgabe – und zwar fast bis zum Rand. Wichtig dabei: die Rohre müssen auf Anschlag, also komplett ineinander geschoben und in dieser Position arretiert sein. Während das Öl in die verschiedenen Kammern absickert, blubbert und gluggert es im Karton. Zwischendurch die Kolbenstangen immer wieder hoch und runter bewegen um die Schwerkraft zu unterstützen und ggf. immer wieder Öl nachfüllen bis nichts mehr wegsackt. Zwar stehen in den WHBs konkrete Füllmengen in Millilitern, die könnt ihr jedoch komplett ignorieren – das sind lediglich irrelevante Anhaltspunkte und sagen nichts über das wirklich benötigte Maß aus
Der wirklich wichtige Wert ist das so genannte „Luftpolster“ über dem Gabelöl. Den entsprechenden Wert findet ihr ebenfalls im WHB als Millimeter-Angabe. Evtl. steht noch dabei, ob mit oder ohne Feder gemessen wird, grundsätzlich bleibt die Feder aber draußen. In unserem Fall sind 94mm Höhe ohne Feder gefordert – wie viel Öl dazu eingekippt wird, ist zweitrangig. Den Messbecher könnt ihr also verbrennen
Um die Vorgabe umzusetzen, bauen wir uns ein weiteres unheimlich spezielles Spezialwerkzeug. Dazu braucht man lediglich ein Röhrchen sowie eine Platte. Wir haben einfach in die Restekiste gegriffen und ein altes Knie-Pad vom ViruZ-Bike heraus gefischt. In dieses haben wir eine Bohrung eingebracht, die dem Außendurchmesser des Röhrchens entspricht. Das Moosgummi wirkt als Stopper. Das Röhrchen lässt sich also leicht verschieben, rutscht aber nicht von alleine weiter. Wir schieben das Röhrchen genau um die geforderten 94mm durch die Platte
Das Konstrukt stülpen wir oben auf das Gabelrohr. Das Röhrchen ragt jetzt exakt 94mm in dessen Tiefen hinab und taucht dort ins Gabel-Öl ein
Mit einer Spritze saugen wir nun so lange Öl durch das Röhrchen, bis nichts mehr kommt. So haben wir exakte 94mm Abstand zwischen Öl und Oberkante Gabelrohr. Perfekter Füllstand!
Das gleiche im Fachbetrieb, nur eben mit explizitem Werkzeug. Gabel zusammen geschoben, auf den Boden gestellt, gegen Umfallen gesichert, reichlich Öl rein und dann bis zur Luftpolsterhöhe den Überschuss absaugen. Auch das Gegenstück zu unserer Dämpferstangen-Angel ist auf dem Bild zu sehen
Damit kann der Zusammenbau weitergehen. Also Feder (richtig herum!) einwerfen, Plastikhülse wieder mit den Spanngurten herunter ziehen, Kontermutter greifen, Versteller aufschrauben, Stopfen eindrehen, fertig! Alles kein Hexenwerk. Auf trockene Zeiten.
Disclaimer:
Don`t try this at home! Dieser Artikel stellt keine Anleitung oder Aufforderung zum Nachmachen da, sondern ist lediglich eine Dokumentation von uns durchgeführter Arbeiten zur Veranschaulichung des Arbeitsaufwands. Wir raten explizit und ausdrücklich vom Nachmachen ab, da unsachgemäßes Schrauben am Krad dessen Sicherheit beeinträchtigen und zur Gefahr für Material, Leib und Leben werden kann. Wer es trotzdem nachmacht, tut dies ausschließlich auf eigenes Risiko und eigene Verantwortung.