Keine Schmerzen!


Ich hab mich schon ein paar Mal amtlich auf die Fresse gepackt und mir dabei redlich die Knochen verbogen. Ja, das waren stets prächtige Schmerzen. Aber die wirklich garstige Pein erfährst du nicht in Folge von überkandidelten Fahr-Manövern, sondern in der Werkstatt. Und dort kannst Du dich an nichts so verletzen, wie an einem Handtuch. Vertrau` mir!


Manche Gefahren lauern bereits vor dem Betreten der sakralen Wirkungs-Stätte. Wenn du z.B. zu den unbeschnittenen Unterhosen-Verweigerern zählst und den Reißverschluss deines Blaumanns allzu forsch nach oben reißt, kann das zu empfindlichen Beschädigungen der eingefangenen Fleisch-Kapuze führen. Und als wäre es nicht schlimm genug mit der Schniedel-Haube zwischen die Reißzähne der Arbeitskluft geraten zu sein, wiederholt sich die Tortur unausweichlich, wenn du den Zipper wieder aufmachen und deinen kleinen Freund aus der mechanischen Minna befreien willst. Wohl dem, der einen amtlichen Damenbinden-Vorrat und ausreichend Eis zum Befüllen seiner Badewanne vorrätig hat.

Absoluter Dauerbrenner - und in Sachen Selbst-Folterung nur schwer zu übertreffen: die Rübe anstoßen. Passiert vorzugsweise dann, wenn die Karre auf der Hebebühne thront. Nummernschild, Hebel, Lenker, Fußrasten. Alles, was irgendwie in den freien Raum hinein ragt und ausreichend scharfkantige Vorstöße besitzt, zieht die Schädeldecke geradezu magisch an. Ich wollte mich schon mal röntgen lassen, um zu sehen, ob ich vielleicht Magnete in der Rummsmurmel habe. Einmal flott gebückt und arglos aufgerichtet und Zack!, möllerst du gegen irgendeine unnachgiebige Ecke oder Kante. Es fühlt sich nicht ganz so derbe an, als würde dir z.B. jemand mit der Kettensäge die Testikel kämmen. Der Schmerz ist feiner, filigraner. Dafür aber stechend und unfassbar lang anhaltend. So etwas wie der kleine fiese Bruder vom Musik-Knochen anrempeln. Es blutet nicht (unbedingt) immer und physische Konsequenzen bleiben meist aus, aber du intonierst die nächsten 15 Minuten Fluch-Arien jenseits der FSK 18-Grenze.

Ich habe absolut keine Ahnung, ob Gott existiert. Ich kann aber zweifelsfrei beweisen, dass es Satan gibt! Wer schon einmal der spirituellen Erfahrung beiwohnen durfte, wie sich beim Schweißen eine kleine Perle mehreren hundert Grad heißen Metalls selbständig macht, durch den Blaumann frisst, das Bein hinunter tanzt, um final im Schuh oben auf dem Fuß zur Ruhe zu kommen, hat dem Gehörnten direkt ins sadistische Antlitz geschaut. Das Schlimmste sind nicht all die kleinen Brandwunden, welche die Perle auf ihrem der Schwerkraft folgenden Weg hinterlässt, sondern ihre Endposition. Das Kleinod brennt wie tausend Höllenfeuer und gräbt sich dabei ins Fleisch wie ein Maulwurf in den losen Mutterboden. Du schreist, du zappelst, du tanzt und versuchst das Feuer mit dem anderen Fuß auszutreten – ohne Erfolg. Du bist der Brunst ausgeliefert und wirst dich in deinem ganzen Leben niemals so hilflos fühlen, wie in diesen paar satanischen Sekunden. Selbst wenn du zufällig einen Kübel mit Eiswasser in Händen hältst und ihn dir auf den Schuh kippst, es ändert nichts. Bis das kühle Nass durchgesickert ist, hat das glühende Stück Schweißgut sein niederträchtiges Werk bereits vollbracht. 666 Temperature of the Beast.

Eins ist doch wohl hoffentlich jedem klar: nur Mädchen und Kellner tragen Handschuhe. Echte Männer arbeiten mit blanken Fäusten. Denn nur so kann man sich diese ordentlich verbrennen. Die frisch durchbohrte VA-Strebe, abgeflexte Alu-Halterung oder das just verschweißte Krümmer-Stück. Übereifrig einen davon ergriffen und du kannst regelrecht fühlen, wie die Nerven-Enden in deinen Fingerkuppen veröden. Die Haut spannt sich wie deine Blase beim Prosecco-Wettsaufen und dein biometrischer Fingerabdruck ist nicht mehr derselbe. Es liegt Grill-Geruch in der Luft und das eben noch gierig ergriffene Bauteil wird zum Wurfgeschoss oder wiegt plötzlich tausend Tonnen. Du rennst zum Wasserhahn um die Brandstelle zu kühlen, fühlst aber bereits, wie die Abwehr-Mechanismen des Körpers eine pralle Brandblase aus Wasser, vermischt mit Eiter ausformen. Mach Feierabend, heute kannst du eh kein Werkszeug mehr halten. Und kauf dir endlich ein paar Handschuhe!

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Ein direkter Verwandter des Vorschadens ist das Bohrständer-Debakel. Du willst nur eben mal ein Loch in die Halte-Strebe bohren und weil der Griff zur Zange zu lange dauern würde, hältst du das Teil mit den blanken Griffeln fest. Das geht auch absolut problemlos – bis es das nicht mehr tut. Der Bohrer frisst sich spontan fest und stellt eine direkte Verbindung zwischen Werkstück und Maschinen-Antrieb her. Das Teil rotiert wie ein Hubschrauberrotor. Bei der ersten Wende schlitzt du dir an dem (natürlich!) nicht entgrateten Teil die Flossen auf, bei der zweiten Runde zerschlägt dir das eigentlich harmlose Stück Leichtmetall die Wixx-Griffel und entfernt große Stücke des Binde-Gewebes. Dein Blut schleudert durch die Gegend und hinterlässt lustige Spritzer auf Wand, Werkzeug und Klamotten. Kacke, wo hatte ich nochmal den Verband-Kasten deponiert?! Und sind noch Damenbinden übrig?

Ebenfalls beliebt: das In-Dinge-Hinein-Treten. Hierzu eignet sich so ziemlich alles vom scharfen Rest-Stück der letzten Flex-Orgie bis hin zur Spax-Schraube oder einem feisten Bohr-Span. Ich wette mit dir, dass du es in hundert Anläufen nicht schaffst, eine Spax so fallen zu lassen, dass sie auf ihrem Kopf landet. Kullert sie aber unbemerkt von der Werkbank, scheinen böse Kräfte zu intrigieren, die genau das nicht nur im ersten, sondern auch jedem weiteren Anlauf erledigen. Und sie deponieren das Teil zudem so, dass du unweigerlich hinein latscht. Der Fremdkörper bohrt sich durch die Sohle deines Schuhs als sei diese aus Vierfrucht-Marmelade, durchsticht deine Haut sowie das darunter liegende Fleisch und reckt sich dann dem Sonnenlicht entgegen, bis sie dieses tatsächlich erblickt – sowie du die Schraube. Du merkst, wie das Innere des Schuhs auf einmal ebenso warm als auch feucht wird und fragst dich, ob du die Schraube lieber mit einem Hammer samt Durchschlag zurück treiben oder mit dem Akku-Schrauber sachgemäß ausdrehen solltest. Kurz danach klappst du um und kommst auf einer Bahre in der Notaufnahme wieder zu dir, wo sich jemand in einem weißen Kittel nach deinem Impf-Status in Sachen Wundstarrkrampf erkundigt. Du fragst ihn im Gegenzug benebelt nach Damenbinden. Der Kittel schaut verblüfft und irritiert. Dann klappst du wieder weg und wachst mit einem Tampon in der Hand wieder auf. „Was anderes hatten wir nicht“. Der gute Wille zählt.

Der garstige Zwilling des „In-Dinge-hinein-Tretens“ ist das „In-Dinge-hinein-laufen“. Und was bietet sich dazu besser an, als der Klöppel des Schraubstocks. In Klöten-Höhe residierend, wartet der Metall-Schlegel nur darauf, dass du den Kampf Schwellkörper gegen Stahl-Prügel aufnimmst. Um deine Stimme zwei Oktaven nach oben zu verschieben, bedarf es nicht einmal einer hohen Aufprall-Geschwindigkeit oder eines Volltreffers. Eine seichte, unvorsichtige Drehung langt, damit du muntere kleine blaue Lichter vor deinen Augen tanzen siehst und spürst, wie sich dein Frühstück den Weg Richtung Nord-Eingang bahnt. Und nein, Damenbinden helfen in diesem Fall nicht weiter.

Es gibt noch so viele andere wundervolle Möglichkeiten, den eigenen Körper beim Schrauben zu drangsalieren: In die Hand bohren, mit dem Hammer auf einen beliebigen Finger(nagel) kloppen, mit einem Aceton-Lappen den Schweiß aus den Augen wischen oder auch einfach nur kleine heiße Splitter beim Schutzbrillen-befreiten Flexen mit der Netzhaut auffangen.

Das ist jedoch alles Kindergeburtstag gegen die schlimmste und derbste Gefahr für Leib und Leben, die als Resultat ausführlicher Moped-Basteleien droht. Da nützt auch die beste Schutzausrüstung nichts. Wenn ich nämlich das abschließende Händewaschen allzu luschig zelebriere und beim Pfoten-Abtrocknen die Färbung des eben noch weißen Handtuchs in eine etwas dunklere Nougat-artige Nuance verschiebe, verwandelt dieser Akt Else auf dubiose Weise in so etwas wie einen unaufhaltsamen Hardcore-Berserker sowie Kaffeebecher, Fleischermesser oder auch Kochtöpfe (die müssen nicht zwangsweise leer oder kalt sein) in Wurfgeschosse, die mich mit unglaublicher Präzision finden und treffen. Auch das reflexartige Einrollen in die Embryonal-Lage, Betteln um Absolution oder „Ich kauf morgen neue Handtücher“ nützt alles nichts. Ich bin heilfroh, wenn ich die Attacke überlebe und einer Narkose-freien Zwangs-Kastration entgehe. Aus Sicherheitsgründen schlafe ich die folgende Nacht auf der Hebebühne in der von innen verriegelten Werkstatt und mach mir die Hände mit dem Sandstrahler sauber.

Scheiß auf Schutzbrillen, Handschuhe oder Sicherheits-Treter. Sieh` einfach zu, dass am Ende des Tages ein weißes Handtuch neben dem Waschbecken hängt. Es kann dir das Leben retten.

Hand zum Tuch,
Robert L.

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