Mentales Konstruieren


Schrauben ist nicht gleich Schrauben. So gibt es z.B. die pragmatischen Zweck-Schraubereien, die einer funktionalen Notwendigkeit entspringen. Also z.B. Inspektionen, Reparaturen oder Upgrades. Dabei geht es um das Erreichen eines bestimmten Ziels. Effizienz und Ergebnis sind federführend. Das genaue Gegenteil ist therapeutisches Schrauben. Hier wird mit möglichst hohem Zeitaufwand ein möglichst minimales Resultat erzielt, welches am Ende idealerweise nicht einmal zu sehen oder zu spüren ist. Das Ergebnis ist bestenfalls ein Nebenprodukt, der Akt als solcher ist es der zählt. Werkzeug-Yoga, die Zentrierung der inneren Mitte mit Bohrmaschine, Sex mit der Flex. Yin und Yan per Drehbank in Einklang bringen. Die eigene Psyche mit dem 13er Ringschlüssel justieren. Selbstfindung durch Zerspanung. Wenn Siggi Freu das gewusst hätte…

Wir widmen uns dieser Form der Tiefenentspannung mindesten einmal pro Woche. Einfach mal die Rübe freischrauben, mal was anderes machen. Klingt auf den ersten Blick paradox, sich ausgerechnet per Schrauben vom Schrauben zu erholen – funktioniert aber. So ganz willkürlich gehen wir jedoch nicht an die Sache heran. Im Prinzip gibt es immer zwei feste Parameter: Nummer 1: es darf gerne eine brauchbare Lösung für ein konstruktives Gebrechen heraus springen. Und Nummer 2: es dürfen keinerlei Materialen angeschafft werden. Rohstoffe sind der Restekiste zu entnehmen, im Notfall können Sachen aus dem Lager-Bestand als Ergänzung herhalten, aber Einkaufen is` nicht. Das erhöht die Schwierigkeitsstufe und regt die Schädel-Füllung an.

Gehen wir es an und schauen mal, was es wird. Grundstoffe der heutigen Exerzitien sind zerbohrte Alu-Reste aus der Abfall-Tonne sowie ein paar Schnellverbinder mit 1/8 NPT Gewinde



Die vorhandenen Bohrungen erhöhen den Schwierigkeitsgrad bei Erzeugen der Grundform. Die Konturen sind ausschließlich mit Feilen herausgearbeitet worden. Danach gab`s zwei aufeinander stoßenden Bohrungen nebst 1/8“ NPT-Gewinde. Links das Assgangsonjekt, daneben der herausgefeilte Rohling



Verschliffen und poliert, das Träger-L in Form gefeilt und mit einem M6-Sackloch bestückt



Das M6-Gewinde dient der Befestigung



Hier kann man die reichlich komplexe Form des Blocks gut erkennen. Am unteren Schnellverbinder steckt bereits ein Röhrchen im Schnellverbinder. Dieses geht in einen Schlauch über und läuft bis zur Fußraste



Dort stößt es auf ein Relikt einer früheren Mental-Schrauberei: einem gedrehten, innen durchgebohrten Ausleger der dafür sorgt, dass überlaufendes Benzin nicht direkt vor den Hinterrad-Reifen tropft



Der Block wird an die Traverse der Tankbefestigung geschraubt und hier bekommt auch der zweite Anschluss seine Bestückung



Dessen Ende wiederum stößt ein paar Dezimeter weiter auf einen weiteren Eigenbau-Kollegen. Aus einem Dreh-Teil und einem weiteren Schnellverbinder



Das Konstrukt kommt an den Überlauf-Anschluss des Tanks. Durch das Bauteil wird der Abgang um 90 GRad abgewinkelt, so dass der Schlauch nicht geknickt wird und dennoch eng am Tankboden anliegt. Und nun fängt die Nummer langsam an Sinn zu ergeben



Die Schnellverbinder erleichtern zukünftig die Abnahme des Tanks. Und da der Block fest am Moped verschraubt ist, lässt sich die Verbindung einhändig lösen. Außerdem trennt der Block den oberen Teil physikalisch vom unteren und wirkt somit als Trennwand für Krafteinwirkungen. Das ganze Gefronzel leistet unterm Strich nichts anderes als die bisherige Tankentlüftung, bzw. der Überlauf. Klar, ein einfacher Schlauch würde genauso funktionieren und zu sehen ist von dem Zeugs auch nichts. Das spielt aber keine Rolle. Alleine das Ersinnen, Konstruieren und Umsetzen haben ihren Zweck erfüllt.

Und weil wir gerade dabei sind, haben wir unter dem ungemein beruhigenden Gebrumme des Drehbank-Antriebs aus ein paar Zentimetern Rest-Alu diesen NPT-Adapter geschnitzt



Er dient fortan als Anschluss für die Benzindruck-Anzeige



Die erst vor Kurzem gebaute Erstversion war zwar grundsätzlich O.K. – aber wenn es auch filigraner geht



Der neue Stutzen ist deutlich schlanker – und hat vor allem beim Bauen einen Haufen Endorphine zur Ausschüttung gebracht. Und auch hier spielt es keine Rolle, dass ihn (und die darin schlummernde Arbeit) niemand jemals bemerken wird. Ganz im Gegenteil. Ich schraube, also bin ich!




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