Spanner begaffen


Wir experimentieren und probieren mittlerweile über ein Jahrzehnt mit Spannern herum. Hauptsächlich mit solchen für den Sekundär-Antrieb, weniger mit denen mit Ferngläsern. Eine Folge für Technoholiker und Konstruktologen.

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Damit ging`s los. Für `nen Zehner vom China-Mann aus der Bucht geangelt. Und erstaunlicherweise wesentlich besser als befürchtet. Ideal, um sich mit dem Prinzip und seinen Tücken vertraut zu machen, ohne ein großartiges finanzielles Risiko eingehen zu müssen. Deshalb haben wir gleich zwei gekauft. Was kost` die Welt?!



Den ersten haben wir an der 14er montiert. Diese verfügt bezüglich der Konstellation von Getriebeausgangswelle zu Schwingen- und Hinterradachse über die übliche Geometrie, Stichwort „positiver mechanischer Grip“. Beim Einfedern vergrößert sich der Abstand zwischen Ritzel und Hinterrad, so dass die Kettenspannung zunimmt. Das größte Kettenspiel hat sie im ausgefederten/unbelasteten Zustand



Genau andersrum sieht die Sache bei der Kawa aus. Auf Grund deren umgekehrter Geometrie, wird die Kette beim Einfedern immer loser und der Druck auf den Spanner lässt nach. Voll ausgefedert ist das Spiel also am geringsten. Klingt bescheuert, ist aber so und rührt vom wilden Mix aus Motor, Rahmen und Hinterradführung her



Nach etwa einem Jahr haben wir uns an die ersten Eigen-Konstruktionen gemacht und die erfahrenen Schwachstellen der Billigheimer ausgemerzt. Doppelte spielfreie Kugellager statt keine, besseres Material, üppigere Dimensionen, stabilere Konstruktion sowie Zug- statt Torsions-Federn



Leicht verbesserte Version. Funktionierte schon recht gut, bot aber immer noch Raum nach oben



Mit den weiteren, über die Jahre gesammelten Erfahrungen sowie unzähligen Versuchen in Sachen Geometrie und Feder-Raten, haben wir das jeweilige Grundprinzip und Zusammenspiel immer besser verstanden, so dass wir die nächste und derzeit aktuelle Stufe zünden konnten. Wir haben festgestellt, dass wir vor allem eines brauchen: viel Federweg! Und zwar mehr, als jede größentechnisch in Frage kommende Feder alleine aufbringen konnte. Deshalb haben wir per Wippe eine zweite Feder in Reihe geschaltet



Die hintere Feder ist starr geankert, während die vordere mittels einstellbarem Spannmechanismus am Hebelarm andockt. Die Vorspannung lässt sich somit stufenlos variieren



Die Wippe verfügt über mehrere Aufnahme-Punkte, womit sich Basis-Vorspannung, Übersetzungsverhältnis und sogar Progression beeinflussen lassen. Sie ist spielfrei Nadel-gelagert



Im Ausgangszustand stehen beide Federn parallel zueinander und sind gleich gespannt



Auf Zug verdreht sich die Wippe. Winkel und Lastverteilung ändern sich. Durch die zwei Federn kann man relativ viel Basis-Vorspannung erzeugen, ohne zu hohe Kräfte einzubringen. Der Weg ist das Ziel, nicht die Kraft. Altes romulanisches Sprichwort



Aus dieser Perspektive gut zu sehen: es herrscht nur sehr wenig Versatz zwischen den Elementen, was die Torsions-Belastung reduziert. Die massive Bauweise schafft zusätzliche Stabilität



Schwenk aufs andere Krad. Version 2.0. Die Konstruktion ähnelt stark der Kawa-Version, funktionierte an der Suzuki jedoch wesentlich besser, alleine auf Grund der erwähnten Geometrie-Situation. Grundsätzlich hätte die Sache konstruktiv so bleiben können. Lediglich die Hebelverhältnisse, die Position der Rolle sowie die Federkraft wollten wir verbessern. „Lediglich“



Das ist die aktuelle Stufe an der 14er. Wie sie sehen, sie sehen nichts. Denn der Mechanismus versteckt sich hinter der Schwinge. Ledig den Hebel-Drehpunkt kann man erahnen. Deshalb haben wir die unsichtbaren Teile eingezeichnet. Das runde ist die Spannrolle, der horizontale Balken der ca. 25cm lange Hebelarm und die nach oben verlaufende Linie die Feder. Letztere hängt an einem Kran, der sich beidseitig über den Kettenschutz spannt und mit eben diesem verschraubt ist. Mittels einer kleinen Drehmoment-Stütze ist er zusätzlich über die Federbeinaufnahme angelenkt



Die Feder verläuft zentral durch die Ketten-Längslinie, so dass die Rolle mittig nach oben gezogen wird. Da sie genau entgegengesetzt zur Kawa werkeln muss, benötigen wir im Ruhezustand keinen potentiellen Zug-Federweg und somit insgesamt auch weniger Einfeder-Vermögen. Denn von der Ruheposition aus wird die Feder beim Arbeiten auf Zug belastet, muss ihrerseits aber keinen aufbringen. Deshalb setzen wir eine etwas stärkere Feder mit weniger Weg ein



Schön, aber was soll der Scheiß?

Abgesehen vom immensen Spaß, den das Ausklügeln solcher Konstruktionen macht?! Nun, tatsächlich sind die Dinger funktional dermaßen erquickend, dass wir es nicht verstehen, dass sie nicht längst Einzug im Serienbau gehalten haben. Zuerst einmal ist man durch die stets unter leichter Spannung gehaltene Kette sämtlich Lastwechsel-Reaktionen und auch das damit verbundene nervige Ruckeln los. Davon profitiert auch direkt die Schaltbarkeit des Hobels. Der nervige Leerweg beim Anfahren an der Ampel entfällt ebenso, wie der unschöne Pissbogen, den die ansonsten nach unten hängende Kette beschreiben würde. Es sind auch mehr Zähne am Kettenrad im Eingriff. Zudem kann man das Gliederwerk „über-lose“ spannen und somit Überdehungen vermeiden, welche gerne mal auftreten, wenn man zu geizig mit dem Spiel ist. Tatsächlich wird Kettenspannen nebenbei komplett überflüssig. Schon mal `ne ungleichmäßig gelängte Kette gehabt? Das ist stets das Ergebnis von zu wenig Spiel in Verbindung mit einer kurzfristigen Überschreitung des Spannungs-Limits, z.B. durch eine Bodenwelle bei hoher Geschwindigkeit. Auch das entfällt ersatzlos. Die Ketten halten seit wir Spanner einsetzen insgesamt auch wesentlich länger. „Kettenpeitschen“ kann man getrost aus seinem Wortschatz streichen – ebenso wie die daraus entstehenden Macken an Schwinge oder Rahmen.