Die Wa(s)tergate Affaire


Das Wastegate ist ein pneumatisch betätigter, ventilgesteuerter Auslass-Bypass, mit dem sich der Anteil der Abgasenergie bestimmen lässt, welcher den Lader antriebt. Oder kurz gesagt: Der Eumel regelt den Ladedruck. So er denn kann und will.


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Da die anfängliche Turbo-Aufrüstung der Z damals dem Sprung in einen trüben Tümpel glich, dessen Tiefe man nur erahnen und dessen Grund man nicht sehen konnte, haben wir erst einmal viele kleine Brötchen gebacken und die Sache kostentechnisch so überschaubar gehalten, wie nur möglich. Deshalb wurde u.a. dieser F-38 Klone verbaut, der nur ein Zehntel seines Originals kostete. Wohlwissend und einkalkuliert, dass wir dauerhaft keine große Freude mit ihm haben würden. Aber für den kurzen Zeitraum des Funktionstest sollte er wohl reichen



Fleutschepiepen! Wir hatten von Anfang an extrem seltsame Phänomene in Sachen Druckaufbau (siehe frühere Kapitel). Ein Teil der Ominösitäten ging auf das Konto des Abgas-Kanals, den Rest steuerte besagtes Wastegate bei. Wie sich bei einer zeitnahen diagnostischen Zerlegung zeigte, war das Ventil in seiner Führung festgerostet. Und das ganz augenscheinlich schon im Karton, denn zum Zeitpunkt der Autopsie war das Ding kein halbes Jahr alt und hatte so gut wie nichts gelaufen. Tatsächlich waren Ventil-Schaft und -Führung fest miteinander verwachsen und ließen sich nur mit einer infernalischen Menge Hitze und einem gigantischen Hammer voneinander trennen. Solch ein arbeitsunwilliges Ventil kann ganz schnell den Motor himmeln, denn der Lader baut dann so viel Druck auf, wie er kann – und der eingesetzte Garret GT-28 kann eine Menge davon generieren. Wenn statt des erwarteten Drucks plötzlich das drei- bis vierfache auf den Brennraum einwirkt, steht ganz fix warmer Metall-Salat mit Geschnetzeltem auf der Speisekarte und zum Nachtisch gibt`s Kolben-Donuts



Das (Zitat Produktbeschreibung) „High-Precision Stainless-Valve“ ist in Natura ein unfassbar gruseliges Produkt einer dubiosen Herstellungstechnik, wie sie im frühen Mittelalter für Hufnägel oder Zugbrücken-Beschläge angewandt wurde. Sieht eher aus wie der gusseiserne Stößel des Kräuter-Mörsers von Miraculix. Der „Teller“ ist übersät mit grausamen Pockennarben, der „Sitz“ ein schlechter Witz



Der Schaft sieht aus, als wäre er in einen Meteoriten-Schauer geraten. Der Bereich müsste eigentlich penibel verarbeitet und ultra-glatt sein, denn er bildet (eigentlich) den Gleitbereich für die Führung…



… die ihrerseits um nichts besser dasteht. Da macht der brockige Schaft dann auch nichts mehr aus. Das Zeugs ist für die Tonne, da lässt sich nichts retten oder verbessern. Ganz nebenbei zeigte sich bei einer Proberunde in der Bohrmaschine, dass das Ventil auch noch krumm wie ein schlaffer Schniedel ist. Da hilft nur Neukauf oder Neubau. Wir bauen, Ehrensache



Ersatz haben wir aus echtem Edelstahl geschnitzt. Der Schaft wird für optimale Dicht- und Gleiteigenschaften poliert, der Teller sitzt 100% gerade sowie mittig und die Sitzfläche ist präzise auf der Drehbank entstanden und nicht in der kranken Fantasie eines bekifften asiatischen Hufschmieds



Muss man nicht viel zu sagen, gleich ein ganz anderer Schnack. Im direkten Vergleich sieht man erst, wie unfassbar schaurig das Ausgangsprodukt ist



Anders als bei Motor-Ventilen, öffnet das des Wastegates nicht durch Ausfahren per Nockenbetätigung, sondern durch Einziehen über einen Membran-Teller, weshalb der Sitz auch auf der Unterseite des Tellers und nicht Schaft-seitig hockt. Da der gesteuerte Kanal ein parallel zum Krümmer verlaufender Lader-Bypass ist, steht auf beiden Seiten stets Abgas an. Dessen Rußanteile konnten sich wunderbar in den Kratern einnisten, wurden dann in die Führung gezogen und haben sich dort festgebrannt. Kondenswasser und Sauerstoff erledigten den Rest



Der neue Schaft ist nicht nur glatt wie ein Baby-Popo, sondern dank des verwendeten Materials auch dauerhaft haftunwillig. Zudem ist er präzise gefertigt, so dass deutlich weniger Spiel und damit Platz für Leckagen und Verkokungen vorhanden ist. Und krumm ist er auch nicht. Grundgütiger!



Natürlich haben wir auch die Führung von Grund auf neu gebaut und hierbei materialtechnisch auf Messing gesetzt - wegen seiner exzellenten Trockenlauf- und Selbstschmierungs-Eigenschaften. Schmiermittel wäre extrem kontraproduktiv, da es Ruß einbinden und nach kurzer Zeit zu Verstopfungen führen würde. Ventil und Führung haben wir deshalb auf der Drehbank penibel aufeinander eingeschliffen. Flutscht wie nasser Hering aus der geölten Seifen-Tube



Der Ventil-Teller ist passend zum Sitz gearbeitet. Die Sache muss nicht zwingend 100%ig dicht sein. Ist sie aber!



Ähnlich den Motorventilen, hat auch das unsere fürs Wastegate am Schaft-Ende eine Nut. Hier greifen jedoch keine Clips oder Keile ein, sondern Schrauben



Die haben wir ebenfalls gegen erquickende Edelstahl-Ware ausgetauscht und ihre Anzahl auf vier erhöht. Sie arretieren den aufgeschobenen Membran-Teller am Schaft, so dass das Diaphragma ihn betätigen kann. In dieser Position wäre das Ventil ganz eingefahren, das Wastegate also komplett offen und der Ladedruck nahezu Null



So ist das Ventil ausgefahren, der Bypass dicht und der komplette Abgasstrom fließt über die Lader-Schaufeln. Resultat: maximaler Tritt ins Gemächte



Der Deckel wird (mit einer Feder bestückt) dichtend aufgeschraubt. Die Härte der Feder bestimmt den (maximalen) Ladedruck. Dieser liegt im Betrieb an der Unterseite der Membran an (blaue Pfeile) und arbeitet gegen die Federkraft (gelber Pfeil). Je härter die Feder, desto mehr Ladedruck ist nötig um den Bypass zu öffnen, während eine weicher Feder bereits geringeren Drücken nachgibt



Alles wieder zusammen. Asiatische Frühlingsrolle süß/sauer mit teutonischer Füllung à la FIGHTERS. Von der Umrüstung ist von außen nichts zu sehen. Natürlich hätte man auch einfach ein Marken-Wastegate kaufen und einbauen können. Zum einen haben die meisten jedoch „nur“ eine Edelstahlführung (Messing erachten wir als deutlich besser), kosten fix mal über 300 Flocken und hätten uns einer Menge gediegenen Bau-Spaßes beraubt. Also keine echte Alternative. Und qualitativ steht unser gepimpter Hoschie besagten Marken-Kollegen in nichts nach – ganz im Gegenteil. Pneumatische Schnellverbinger z.B. findet man auch an teurem Zinnober nur sehr selten



Fährt man eher gediegene Drücke (also eine lasche Feder) hat das abseits des übersichtlichen maximalen Ladedrucks einen unschönen Nebeneffekt: je weicher die Feder, desto früher fängt sie an nachzugeben und den Bypass zu öffnen. Sie geht (leider) nicht schlagartig auf, sondern öffnet langsam über einen bestimmten Arbeitsbereich. Durch das frühe Öffnen eines Spaltes, gehen dem Lader jedoch wertvolle Energien flöten, die er dringend zum Spoolen (also zum Aufbau seiner Arbeits-Drehzahl) benötigt. Der Druck ist somit nicht nur niedriger, sondern setzt auch später ein. Das kann man z.B. mit elektronischen Druckreglern kompensieren, die es in verschiedenen Formen und Ausführungen gibt. An der 14er haben wir diesen von AEM in Betrieb, der es u.a. erlaubt, das Wastegate erst ab einem bestimmten Ladedruck anzusteuern. Unterhalb dieses frei einstellbaren Wertes bleibt es komplett geschlossen, was dem Lader sehr gefällt und den Punch aus dem Keller dramatisch verbessert. Der Effekt entspricht einer elektrisch verstellbaren dynamischen Federhärte



Die Kawa wollen wir konzeptionell weiterhin so einfach wie möglich halten und verzichten deshalb auf solch einen (zudem schweineteuren: zwischen 400 und 1000 Euronen muss man freilassen) Zauberkasten. Wenn man jedoch versteht, wie so ein Controller arbeitet, kann man den Effekt mit einer relativ simplen Schaltung imitieren – was wir getan haben. Unser System ist ebenfalls in Sachen Schwellenwert frei einstellbar und feuert das Wastegate erst ab dem entsprechenden Wert an. Darunter verhält es sich, als wäre eine viel stärkere Feder verbaut. Bis zum Auslösen steht somit dem Lader sämtliche Energie zur Verfügung. Die Schaltung verlangt lediglich Versorgungsspannung (Klemme 15), Masse gibt`s gratis über das Gehäuse. Der Rest ist rein mechanisch und pneumatisch und werkelt autonom



So können wir den (maximalen) Ladedruck moderat halten, erreichen aber dennoch eine späte Ansprechzeit des Wastegates. Der Lader spoolt früher und besser, baut zügig Druck auf und erzeugt wesentlich früher viel mehr Drehmoment als es ohne die Einrichtung möglich wäre. Nur nichts verschenken. Voraussetzung ist natürlich ein leichtgängiges und fein ansprechendens Wasetgate. Ansonsten sind Boost-Spitzen und –Einbrüche vorprogrammiert. Es ist also kein Zufall, dass beide Arbeiten zusammen gefallen sind