Fütter mich


Es gibt haufenweise Gründe, die Finger von einem Turbo-Umbau zu lassen. Wir könnten locker einen Vierbänder über das Thema verfassen, unter dem Titel „Mach`s nicht!“. Teilweise sind die Umstände so banal, dass man sich vorab kein Bild ihrer Tragweite oder Existenz macht – bis sie dich in den Arsch beißen und in den siebten Kreis der Hölle katapultieren. Die simple Ölzufuhr zum Lader ist so ein fieser Bastard. Ein Retrospektive mit Gegenwartsbedeutung.


Grundsätzlich keine Raketenwissenschaft. Der Lader muss mit Öl versorgt werden (den obligatorischen Rücklauf klammern wir an dieser Stelle bewusst aus, der ist nämlich nochmal ein Thema für sich). Herausforderung Nummer eins: am Turbo den richtigen Zugang ins Visier nehmen. Der obere ist korrekt, der darunter für eine optionale Wasserkühlung. Darf man nicht verwechseln, sonst wird`s ein kurzes Gastspiel mit teurem Applaus von Feuerwehr und Teilehändler



Ist der Zulauf lokalisiert, muss ein Verbinder her. Das geht auf vielerlei Arten, üblich sind Banjos oder solche Dash-Adapter. Hier lauern die nächsten Fallstricke, denn rollengelagerte (links) und gleitgelagerte (das andere Links) Lader verlangen unterschiedliche Querschnitte. Vertauschen finden beide voll doof und reagieren mimosig als auch Kosten-intensiv



Den richtigen Adapter einschrauben, Dash-Leitung ran, fertig. Jaa, denkste



So sah unser ursprünglicher Kreislauf aus. Von der Galerie per AN4 zum Lader, von dort aus in den Catch-Tank und über eine Pumpe zurück in den Ölsumpf. Nichts dran zu meckern und anatomisch absolut korrekt durchdacht, quasi nach Lehrbuch



Und dann kam der Moment, als uns Odin hysterisch lachend in die Suppe strullte. Dem zornigen Nordmann sind DIN und Normen nämlich Latte. Der Lader leckte nach einigen Kilometern aus dem Luftfilter, fühlbar durch ein wohlig warmes Gefühl im linken Stiefel vom austretenden und eindringenden Schmiermittel. Das Geklecker erstarb zwar nach kurzer Zeit und trat dann für den restlichen Tag nicht mehr auf (warum auch immer), trotzdem drohten uns die Socken-Kosten langfristig finanziell zu ruinieren. Wie wir inzwischen wissen, gab es gleich mehrere Gründe für das Debakel – einer bestand in der Versorgungsmenge


Ein ergänzendes und typisches Dilemma entsteht ausgerechnet dann, wenn man das Moped abstellt. Dann sickert das in den oberen Stockwerken verteilte Öl zurück Richtung Sumpf und somit auch in die Versorgungs-Leitung des Laders. Da der jedoch nur abdichtet, wenn er hochtourig rotiert, flutet besagtes Rücklauföl unausweichlich sein Gehäuse. Von dort kann es nicht abgepumpt werden, so dass es entweder angesaugt und/oder verbrannt wird oder aus dem Luftfilter austritt. Um das zu unterbinden, haben wir im ersten Schritt ein Rückschlagventil eingesetzt, welches die Zufuhrleitung sperrt, wenn kein Öldruck anliegt. Und weil wir gerade dabei waren, gab es auch gleich noch einen Feinst-Filter dazu. Beides hochgradig empfehlenswert und effektiv



Passend angerichtet und montiert. So wirklich 100%ig funktionierte die Sache jedoch immer noch nicht. Der Siff trat sporadisch immer mal wieder auf, was man so dringend braucht, wie ein Dutzend Angelhaken in der Unterhose beim Bullriding-Contest. Das Schlimmste an der Nummer war ihre Unberechenbarkeit und dass sie sich nicht provozieren oder reproduzieren ließ. Der Lader konnte wochenlang dicht sein – und kaum hatte man an ein Ende des Dilemmas geglaubt, spuckte die Turbine wieder Öl. Warum? Was soll das? Einen versteckten Fehler zu finden ist schon schwer genug – wenn der aber nicht auftritt wenn man ihn abstellen will, wird`s unmöglich



Zeitsprung. Sechs Jahre später. Die (Er)Lösung. Sieht nicht viel anders aus als die vorige Konstellation. Hat uns aber die letzten Sack- und Rückenhaare gekostet. Von rechts nach links: Dash-Abgang von der Galerie, erster Adapter mit Reduzierung, Rückschlagventil, zweiter Adapter mit Reduzierung, Ausgang. Weiter oben sitzt ein dritter Adapter, ebenfalls mit Reduzierung, dazwischen eine modifizierte OEM-Steigleitung für die Nockenwellen-Schmierung eines anderen Krads



In diesem Glas befinden sich sechs Jahre elendige Pein, Leid und Qualen. Harmlos glänzend, auf den ersten Blick einfach ein bisschen poliertes Aluminium



Tatsächlich sind das jedoch verschiedene Adapter, mit denen wir über ein halbes Jahrzehnt lang endlos experimentiert haben. Sie variieren sowohl in Anatomie…



… als auch Durchlass. Der Unterschied zwischen dicht und undicht liegt im Zehntel-Bereich sowie in Anordnung und Kombination der Brocken. Und das sind lediglich die unteren Adapter und somit nur ein Drittel des Orchesters



Jedes Teil haben wir selber angefertigt, jeweils auf Basis der Erfahrungen mit dem vorigen. Hinzu gesellt sich eine karge Informationswüste mit kaum mehr als vagen Aussagen. So gibt Garrett als Herstellers des Laders zum Beispiel fast wörtlich zu Protokoll, dass ihre „gleitgelagerten Gebläse keinen Restriktor brauchen, es sei denn, sie brauchen einen“. Mit solchen glasklaren Ansagen kann man wundervoll arbeiten...



Neben den Adaptern spielen die Leitungen eine wesentliche Rolle. Auch hier haben wir mit verschiedenen Durchmessern in Zehntel-Schritten experimentiert…



… und diese dann mit diversen Adapter-Konstellationen kombiniert und getestet. Zusammen mit dem Top-End waren das über die Jahre so grob um die hundert Varianten. Um den Überblick zu behalten, haben wir die jeweiligen Ergebnisse akribisch in einer dafür geschaffenen Datenbank abgelegt und katalogisiert, so dass wir vergleichen, Muster erkennen und neue Ansätze gewinnen konnten. Neben ihrer Relevanz für die Dichtigkeit hat die angelieferte Ölmenge auch Einfluss auf das Spool-Verhalten des Laders, was es ebenfalls zu beachten galt. Fahren, gucken ob der linke Schuh trocken bleibt, Austrittsmenge bestimmen, Spool-Verhalten checken, Gegenprobe mit anderer Kombination – und wieder von vorne. Ja, das kann einen schon leidlich irre machen. Insbesondere, wenn du denkst, du hast es endlich und die Realität sich zum x-ten Mal lachend auf die Schenkel klopft. Richtig ätzend waren die Versuchsreihen, von denen wir schon vorher wussten, dass sie nicht funktionieren können, wir aber dennoch das empirische Ergebnis brauchten, damit die Test-Folge aussagekräftig wird und bleibt. Das ist ähnlich wie der vorsätzliche Hechtsprung vom Dreier in ein Gülle-Fass voller Krokodile, einfach nur um genau zu wissen, dass das wirklich Kacke ist. Musste aber sein, wäre nicht anders gegangen



Alleine die Konstellation Durchmesser vor/nach dem Rückschlagventil hat zuweilen den Gedanken an einen warmen Abriss der gesamten Fuhre zu einer verlockenden Aussicht gemacht. Man darf nicht vergessen: wir reden hier lediglich von einer beschissenen Ölleitung und nicht von einem nuklear angetriebenen Elektronen-Beschleuniger zur Erschaffung synthetischer Singularitäten



Hinzu gesellten sich immer wieder andere Komponenten, die ihrerseits Einfluss auf die Problematik nahmen. Ganz vorne dabei: der Auspuff. Und natürlich der Lader selber. Du taumelst zuweilen wie auf LSD durch einen psychedelischen Irrgarten voller links-wichsender Einhörner, findest den Ausgang nicht, siehst monatelang kein Tageslicht und fragst dich ständig: was zum Teufel mache ich hier eigentlich?! Wäre Modelleisenbahnern nicht auch ein klasse Hobby? Oder einfach ganz viel Fernsehen?! Ja, mit Sicherheit. Blöderweise lässt das deine Genetik aber nicht zu. Und so heißt es auch weiterhin: Garrett statt Märklin. Individualismus fordert halt ihren Tribut und unterscheidet dich von den Millionen untoten Arschphone-Zombies, die sich jeden Morgen auf den Klodeckel scheißen, wenn sie keine App haben, die ihnen sagt, dass sie ihn vor dem Abpröttern hochklappen müssen. Unterm Strich tut es einfach gut zu spüren, dass man noch am Leben ist