Knüppel in die Speichen


Eigentlich war alles soweit total dufte. Die Fuhre fuhr, der Lader lud und das Rad ratterte. Tatsächlich! Wie ungeil! Beim Peilen während der Fahrt an der hinteren Pellenflanke entlang war deutlich Seitenschlag wahrnehmbar. Die Lager waren in Ordnung, jedoch offenbarte ein Check der Felge auf dem Auswuchtstand fast einen halben Zentimeter seitlichen Schlag. Der Grund war schnell gefunden: die Speichen des Kineo-Rades fingen an unter der freigelassenen Kraft des Motors nach und nach wegzuknacken. Sowohl die Befestigungs-Tonnen als auch die Speichen selber kollabierten. Das war einigermaßen überraschend, wird das verbaute Rad serienmäßig z.B. von MV Agusta verbaut und auch Horex steckt den Draht-Hahn in seine adipösen Sechszylinder. Allesamt keine Kinder von Traurigkeit. Aber unser Konzept war dann wohl doch etwas zu viel des Guten. Wir bauen eben keine Kinderspielzeuge.



Der Gedanke einer Revision der Felge wart flugs verworfen, denn offensichtlich war das Problem konstruktiver Natur und die Felge schlicht außerhalb ihrer Möglichkeiten. Also musste eine massivere Lösung her. Und die musste optisch zum vorderen Speichen-Rad passen – denn dieses würden wir auf jeden Fall erhalten. Als Lösung haben wir die im Drag-Segment nicht unübliche Kombination aus Speiche vorne und Scheibenrad hinten erkoren. (Auch Harley hatte bereits Modelle mit der Kombi am Start)

Was uns der realen Lösung jedoch keinen Schritt näher brachte – denn woher ein passendes Scheibenrad nehmen ohne das Bankkonto kollabieren zu lassen?! Vor der selben Frage standen wir vor anderthalb Jahrzehnten schon einmal bei einem anderen Projekt-Bike und haben uns erneut der damaligen Lösung bedient: selber bauen! Wir hatten seinerzeit Guss-Felgen mit Aluscheiben verkleidet, was wir auch für dieses Unterfangen als tauglich erachteten. Auf Grund der Einarmschwinge würde eine einzelne Scheibe reichen, mit welcher wir eine günstig geschossene Triumph-Felge bestücken würden. Support gab`s (wie so oft) aus Berlin, vom blauen Klaus - immer erste Anlaufstation in Sachen Räder und Schwingen.

Die „Radkappe“ wurde per Wasserstrahl-Verfahren ausgeschnitten. Das Ding muss unbedingt extrem präzise gefertigt sein, sonst gibt`s später Unwuchten. Wir haben aus rein optischen Gründen auch gleich noch einen Lochkreis hinein-perforieren lassen, welcher in Anzahl und Radius den Speichen-Tonnen des Vorderrades entspricht und diesbezügliche Verwandtschaft herstellt.



Problem an der Sache: eine platte Scheibe haut nicht hin. Liegt sie mittig auf, bleibt zwischen ihr und dem äußeren Felgenrad ein fetter Luftspalt



5mm misst der radiale Briefschlitz. Das geht weder optisch, noch technisch



Um der Sache Herr zu werden, ist die Scheibe unter Zuhilfenahme einer 100 Millionen Tonnen Presse (evtl. dramatisiert und übertrieben) sowie einer alten Felge in Wölbung gebracht worden. So liegt die Schüssel gleichermaßen überall an



Zudem sieht das Rad nun nicht mehr so stumpf aus, die Wölbung macht die Sache organischer



Von der Innenseite kann man den ins Leere gestrahlten Lochkreis sehen



An der Rückseite der Scheibe sind Aufnahmen angeschweißt, über welche die Felge unsichtbar mit der Scheibe verschraubt wird. Abschließend gingen die Teile noch kurz unter die Pulver-Dusche und sind nun fertig für die Hochzeit



Beide Teile sind endfest miteinander verbunden. Zusätzlich zur Verschraubung, sind Scheibe und Rad mit speziellem Karosserie-Kleber vereint, mit welchem im Autobau z.B. die Dächer auf die Dosen kommen. Grundsätzlich hätte der Kleber alleine auch genügt – oder eben alternativ im Solo-Gang die Verschraubung. Wir haben beides parallel angewendet. Auseinander bekommt man das Gebilde nur noch mit TNT oder einem romulanischen Disruptor. Im Lochkreis sitzen jetzt drei Dutzend VA-Schrauben, jedes Gewinde einzeln per Hand eingeschnitten. Da muss man schon richtig Lust zu haben. Lohn der Mühen: auf der Wuchtmaschine ist nicht die kleinste Unwucht festzustellen.




Die Motorleistung steht jetzt wieder vollends dem Vortrieb zur Verfügung und wird nicht länger für die Desintegration von Drahtspeichen missbraucht. Und nein: eine Autofelge kam zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in Frage. Auf keinen, Alda!


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